PV-Produktion: Kann Europa international mithalten?

Markttrend – 7. September 2023 | Sarah Hommel de Mendonça

Die Arbeitsgruppen sind gegründet, Fördertöpfe mit Geldern ausgestattet und Erfordernisse für eine prosperierende heimische PV-Produktion ermittelt.

Und obwohl die von der Europäischen Kommission ins Leben gerufene European Solar PV Industry Alliance (ESIA) sogar ein Übertreffen des selbst gesetzten Ziels von 30 Gigawatt (GW) jährlicher Produktionskapazität bis 2025 prognostiziert: Ob Europa es bei der PV-Produktion wieder nachhaltig und international konkurrenzfähig an die Spitze schafft, bleibt offen.

Europa: PV-Produktionskapazitäten aktuell

Derzeit sind im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) insgesamt 157 Firmen im Bereich der PV-Produktion tätig. Dabei kommen die einzelnen Produktionsbereiche auf folgende Kapazitäten: Solarmodule 9,4 GW; Solarzellen 1,4 GW; Wechselrichter 69,9 GW; Ingot & Wafer 1,7 GW und Polysilizium 23,2 GW. Der europäische Branchenverband SolarPower Europe stellt die aktuellen Zahlen in einer interaktiven Karte zur Verfügung.

30 GW in Aussicht: Gigawatt-Projekte in Europa

Laut ESIA befinden sich derzeit 20 weitere Projekte im EWR in der Entwicklung. So baut die Firma Carbon in Fos-sur-Mer, Frankreich, die erste vollintegrierte Gigawatt-Fabrik Europas, in der sämtliche Produktionsschritte abgedeckt werden – von der Herstellung des Polysiliziums bis hin zur Fertigung des Moduls. Ab dem Jahr 2026 ist geplant, dort eine jährliche Produktionskapazität von 5 GW Solarzellen und 3,5 GW Solarmodulen zu erreichen.

Ebenfalls auf Frankreich fiel die Entscheidung für den Standort der ersten Gigawatt-Modulfabrik Europas getroffen. Die Firma Holosolis gibt an, dass bereits ab 2025 in Moselle eine Produktionskapazität von 5 GW pro Jahr erreicht werden soll. Auch das Schweizer Unternehmen Meyer Burger plant, die Produktion an zwei europäischen Standorten auszuweiten, und zwar in Freiberg, Deutschland, sowie voraussichtlich in Spanien.

Dabei soll eine 3,5 GW Modulfertigungskapazität neu entstehen. Norsun, der letzte verbleibende Hersteller für Ingots & Wafer in Europa, wird seine Kapazität um 3 GW in Norwegen ausbauen. Sowohl Norsun als auch Meyer Burger erhalten für diese Vorhaben 54 Millionen beziehungsweise 200 Millionen Euro Investitionshilfen aus dem EU Innovationsfonds.

Die Investitionsbedingungen für die Photovoltaikfertigung in Europa haben sich aufgrund freigegebener Finanzmittel aus EU- und Länderbudgets nun teilweise verbessert. Das ruft auch Global Player auf den Plan, für die eine Produktion in Europa ein logischer Schritt auf einem ihrer bereits größten Absatzmärkte ist. Ein Beispiel hierfür ist der chinesische Zellhersteller LONGi, der immerhin 20 Prozent seines Umsatzes in Europa erwirtschaftet. Erst kürzlich kündigte das Unternehmen die Eröffnung eines Werks zur Zell- und Modulfertigung in Deutschland an.

Andere Dimensionen: chinesische PV-Produktion

Trotz der positiven Marktsignale, die durch die oben dargelegten Entwicklungen für die europäische PV-Produktion gesendet werden, bestehen nach wie vor zahlreiche Hindernisse. Das größte Hindernis stellt zweifellos die Konkurrenzsituation europäischer Produkte mit Solartechnik aus China dar. Denn aufgrund von Skalierungsvorteilen können chinesische Hersteller derzeit ihre Produkte laut einer Analyse von Rystad um bis zu ein Drittel günstiger anbieten.

Ein Beispiel zu den Größenordnungen: Der chinesische Photovoltaik-Hersteller GCL-SI gab im Juli 2023 den Bau einer neuen 20 GW Zellfabrik in Wuhu bekannt.

Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden Solarmodule mit einer Gesamtkapazität von 85 GW von China nach Europa importiert. Der Preisdruck auf europäische Firmen ist enorm. Es ist daher verständlich, dass Forderungen nach dem Schutz des heimischen Marktes laut werden.

Inflation Reduction Act zieht Investitionen in die USA

Mit Einführung des Inflation Reduction Acts (IRA) in den USA und dem derzeit florierenden PV-Produktionssegment ist eine weitere Herausforderung für das Wiederaufleben einer europäischen Produktion hinzugekommen. Denn Firmen treffen neue Standortentscheidungen aufgrund der großzügigen CAPEX- und OPEX-Förderungen des IRA für „clean technologies“ nun zunehmend zugunsten der USA. Neuankündigungen von Gigawatt-Fabriken dort sind seitdem keine Seltenheit mehr. Auch hier mischt LONGi ganz vorne mit und errichtet zusammen mit dem amerikanischen Projektentwickler Invenergy in Ohio die mit 5 GW Kapazität bisher größte Modulfabrik der USA.

Strompreise, Bürokratie und Fachkräftemangel

Zur Konkurrenz aus dem Westen und Osten gesellen sich noch andere, standortbedingte Faktoren, die zu einer schleppenden Entwicklung der PV-Produktion in Europa beigetragen haben. In vielen Ländern sind hohe Industriestrompreise ein Problem, welches vergleichsmäßig zur Verteuerung der lokal hergestellten Produkte führt.

Bei Solarmodulen sind vor allem die Produktionsstufen Polysilizium sowie Ingots & Wafer sehr energieintensiv. Beispielsweise bezahlen Firmen in Deutschland derzeit rund 26 Eurocent (€ct) pro Kilowattstunde (kWh), in der Solarnation Spanien sind es sogar 28 €ct/kWh. Frankreich steht mit 15 €ct/kWh deutlich besser da – jedoch immer noch weit über dem Industriestrompreis der USA, der sich 2023 durchschnittlich bei rund 7 €ct/kWh bewegt hat. Bürokratie, fehlende Fachkräfte und regulatorische Mängel sind weitere Mammutaufgaben, denen Deutschland und Europa gegenüberstehen.

PV für europäische Staaten von nationalem Sicherheitsinteresse

Mindestens 40 Prozent der neu verbauten Solartechnik soll bis zum Jahr 2030 laut der EU-Kommission aus europäischer Produktion stammen. Dafür hat sie einige Hebel in Bewegung gesetzt. Der Net Zero Industry Act regelt den Aufbau von PV-Produktionskapazitäten in den Nationalstaaten – und auch, welche Finanzhilfen die Staaten zu diesem Zweck für Projekte aufwenden dürfen (je nach Unternehmensgröße 15 bis 55 Prozent der Investitionsausgaben, 20 bis 60 Prozent für Steuervergünstigungen, Darlehen oder Bürgschaften).

Die EU-Kommission stellt über die europäische Aufbau- und Resilienzfazilität zusätzlich 20 Millionen Euro für den RePowerEU-Plan zur Verfügung ( Aufholjagd der PV-Produktion in Europa ).

Der deutsche Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat daher jüngst ein Interessenbekundungsverfahren für die Finanzierung von PV-Leuchtturmprojekten ausgerufen. Die Mittel dafür werden aus dem Klima- und Transformationsfonds des Bundes zur Verfügung gestellt werden. Aber Branchenexperten sind sich einig, dass es mit Finanzhilfen für CapEx und OpEx allein nicht getan ist.

Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW-Solar), fordert: „(…) mit Hilfe sogenannter Resilienz-Boni und -Auktionen künftig in einem gewissen Umfang PV-Systeme aus europäischer Fertigung gezielt zu fördern. (…) Wir empfehlen darüber hinaus die Stärkung der Finanzierungsbasis bzw. des Kapitalzugangs potenzieller Investoren mittels zeitlich befristeter Hybridkapitalbeteiligungen an Solarunternehmen.“

Lokale Produktion fördert Nachhaltigkeit

Die PV-Produktion vor Ort in Europa ist dabei nicht nur erstrebenswert, um Resilienz und Unabhängigkeit entlang der gesamten PV-Wertschöpfungskette zu erreichen. Sondern auch, weil einheimisch produzierte Produkte im Gegensatz zu importierten Produkten einen besseren CO­2­­-Fußabdruck haben. Dabei spielt auch die Versorgung der Produktion mit sauberem Grünstrom eine Rolle, neben der strengen Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards sowie der Vermeidung von Emissionen durch Transportwege.

Die weltweit führende Fachmesse für die Solarwirtschaft, Intersolar Europe, bietet 2024 erneut Platz für den Bereich PV-Produktionstechnik (Halle A2) und findet im Rahmen von vom 19.–21. Juni 2024 auf der Messe München statt.

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