Reiches Energiewende-Realitätscheck: Aktuelle Herausforderungen für Photovoltaik- und Speicherunternehmen

Branchenneuigkeit – 28. November2025

Im Intersolar Europe-Webinar „Reiches Energiewende-Realitätscheck“ diskutierten Experten des Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) die gegenwärtigen Herausforderungen der Solarenergie- und Energiespeicherbranche in Verbindung mit dem derzeitigen Kurs des zu-ständigen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) in Deutschland. Es wurde deutlich: Der langjährige Wachstumspfad wird aktuell zunehmend durch wirtschaftliche und regulatorische Unsicherheiten gebremst.

Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar, verwies darauf, dass sich die Nachfrage im Gebäudesektor im Vergleich zum letzten Jahr spürbar abgeschwächt habe, aber weiterhin noch deutlich oberhalb der Nachfrage vor der Energiekrise liegt. Die schwache Konjunkturlage, die politische Verunsicherung und Verzögerungen durch fehlende beihilferechtliche Genehmi-gungen, etwa beim Solarpaket I, erschwerten Investitionen und bremsten die Umsetzung ge-planter Projekte. Zwar hat Deutschland bisher den politisch festgelegten Ausbaupfad übertrop-fen und Ende 2024 die Marke von 100 Gigawatt (GW) installierter PV-Leistung erreicht, doch die zweite Hälfte auf dem Weg zum Ausbauziel von 215 GW bis 2030 wird laut Körnig kein Selbstläufer.

Christian Menke, Referent Politik und Solartechnik beim BSW-Solar setzte die aktuelle ener-giepolitische Lage in Bezug zur Metastudie „Monitoringbericht Energiewende“, die jüngst vom BMWE und Ministerin Katherina Reiche (CDU) vorgestellt wurde.
Er betont, dass die Ministerin sich weiterhin zum Ausbauziel von 80 % Erneuerbaren im Jahr 2030 bekennt, zeigt aber die Widersprüche zwischen dem 10-Punkte-Plan der Ministerin und den Empfehlungen des Monitoringberichts auf.

  • Zu niedrige Prognose der Entwicklung des Stromverbrauchs: Der Monitoringbericht sieht eine Spanne 600 – 700 Terawattstunden (TWh) statt aktuell 750 TWh wie im Er-neuerbare-Energien-Gesetz (EEG) als belastbar an. Während die Ministerin von 600 TWh als Maximalwert liegt, wird der Stromverbrauch nach Analysen der EE-Branchenverbänden voraussichtlich auf ca. 700 TWh steigen. Die EEG-Ausbauziele wurden direkt aus dem erwarteten Stromverbrauch abgeleitet, wodurch eine Diskussi-on über Ausbauziele entstehen könnte.
  • Unter der Prämisse „Fokus auf Kosteneffizienz“ hat die Ministerin – in der Koalition noch nicht geeinte – Einschnitte bei der EEG-Förderungen für erneuerbare Energien an-gekündigt, während parallel durch neue Förder- und Marktmechanismen fossile Gas-kraftwerke, CO₂-Abscheidungs- und Speichertechnologien (eng. Carbon Capture and Storage – CCS) und blauer Wasserstoff gefördert werden sollen.

Christian Menke geht auch auf das zunehmend herausfordernde Marktumfeld für PV in Deutschland ein, das von sinkenden Marktwerten und zunehmenden Stunden mit negativen Börsenhandelspreisen geprägt ist: 576 negative Stunden bis 31. Oktober 2025. Im Webinar erläutert er zudem die weitreichenden Auswirkungen der EU-Strommarktreform. Ab 2027 sind für alle neuen geförderten Anlagen über 200 Kilowatt (kW) verpflichtende Erlösabschöpfungs-mechanismen (z. B. two-sided CfDs oder gleichwertige Modelle) vorgesehen. Die fehlende Einführung einer Erlösabschöpfung bremst durch die fehlende beihilferechtliche Genehmigung der EU aktuell auch weiterhin zentrale Förderbausteine des Solarpaket I aus. Eine abschlie-ßende Klärung erwartet die Branche erst mit der großen Energierechtsnovelle 2026. Bis dahin bleibt ein bedeutender Teil der förderrelevanten Änderungen im Solarpaket I im Übergangsmo-dus.

Große Aufmerksamkeit galt im Webinar der Rolle der Eigenheimanlagen und Gebäude-PV. Denn dieses Marktsegment entwickelt sich derzeit rückläufig und die Förderung von PV-Heimanlagen steht unter der Prämisse des BMWE, Fördereffizienz bei den Erneuerbaren zu schaffen, in der Kritik. Benedikt Fischer, Referent Solartechnik & Recht beim BSW-Solar setzte dem entgegen, dass kleine und mittlere Dachanlagen unverzichtbar für die Energiewende sind – aufgrund ihrer Vorteile wie hoher Eigenverbrauch und Prosuming, Netzentlastung, Kosteneffi-zienz sowie ihrem Beitrag zur gesellschaftlichen Akzeptanz der Energiewende. Er weist auf die Gefahr erheblich höher Amortisationszeiten (bis zu doppelt so lange) bei einem Wegfall der EEG-Förderung hin – und in der Konsequenz darauf, dass laut einer repräsentativen BSW-Umfrage nur noch 4 von 10 Interessierten ohne Förderung eine PV-Dachanlagen installieren würden.

Als „To-Do´s“ für den Heimanlagenbereich nennt er die Verbesserung bei der Direktvermark-tung, beispielsweise durch einen beschleunigten Smart-Meter-Rollout. Eine Verpflichtung zur Direktvermarktung kleiner PV-Anlagen lehnt der Verband ab, da dafür die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen derzeit nicht gegeben seien.

Außerdem fordert er rechtliche Sicherheit für Kundenanlagen, denn Mieterstrom- und Quar-tierslösungen unterlägen infolge eines BGH-Urteils erheblicher Rechtsunsicherheit, was das Segment empfindlich ausbremse.

Auch Batteriespeicher waren Thema des Webinars. Deutschland verfügt heute über etwa 24 Gigawattstunden (GWh) installierte Speicherkapazität. Doch wie Thomas Seltmann, Referent Solartechnik und Speicher beim BSW-Solar, erläutert, bleibt ihr systemischer Nutzen durch regulatorische Lücken eingeschränkt.

Fortschritte wie Netzentgeltbefreiungen oder steuerliche Erleichterungen werden begrüßt, aber zentrale Grundlagen wie digitale Messtechnik (iMSys), automatisierte Marktkommunika-tion und Multi-Use-Modelle stecken trotz jüngster regulatorischer Verbesserungen noch in den Kinderschuhen. Für eine stabile Systemintegration seien Speicher jedoch unverzichtbar.

Das Webinar verdeutlichte, dass die Branche an einem entscheidenden Punkt steht. Märkte kühlen ab, Unklarheiten bremsen Investitionen, und das regulatorische Umfeld erfordert schnelle Fortschritte. Gleichzeitig machten die Expertinnen und Experten klar: Mit einem ver-lässlichen Rechtsrahmen und gezielten Reformen kann der PV- und Speicherausbau weiter beschleunigt werden und die Energiewende bleibt erreichbar. Jetzt muss die Politik nachlegen und bei Reformen mit dem nötigen Augenmaß vorgehen.

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