Lange Zeit wurde das Gewerbe- und Industriesegment (engl. Commercial and Industrial – C&I) innerhalb der Photovoltaik als „schlafender Riese“ bezeichnet. Dort ist ein hohes Flächenpotenzial verfügbar, oft decken sich die Verbrauchsprofile mit den Erzeugungszeiten der Solarenergie. Bürokratische Hemmnisse und Unsicherheit über die Rentabilität einer PV-Anlage sorgten jedoch dafür, dass sich die Nachfrage verhalten entwickelte.
Aufgrund anhaltender Energiepreisschwankungen, der Preisgünstigkeit von Solartechnik sowie der zunehmenden Umstellung von Industrie- und Gewerbebetrieben auf klimafreundliches Wirtschaften hat im C&I-Segment derzeit ein Hochlauf begonnen – auch was die Umsetzung von kombinierten Systemen mit Batteriespeichern und E-Mobilität angeht.
Das Potenzial von Gewerbe-PV für die Energiewende ist riesig. In Deutschland beispielsweise werden derzeit laut Wolfgang Röbig, dem Geschäftsführer des Solardienstleisters GIGA.GREEN, nur etwa 10 Prozent der 350 Millionen Quadratmeter Dachfläche zur Solarstromerzeugung genutzt. Würde man diese Fläche vollständig mit PV belegen, könnten dadurch jährlich mehr als 20 Millionen Tonnen CO₂ an energiebedingten Emissionen eingespart werden – das entspricht 3 bis 4 Prozent der deutschen Gesamtemissionen.
Auch die Unternehmen selbst können in hohem Maße von der Anschaffung einer PV-Anlage profitieren. Die Umstellung der Strom- und gegebenenfalls auch Wärmeversorgung auf PV sichert die Unternehmen vor zukünftigen Preissprüngen am Strommarkt ab und ermöglicht langfristige Planungssicherheit bei dauerhaft niedrigen Energiekosten. Der Bezug von Solarstrom vom Firmengelände verbessert außerdem die CO₂-Bilanz des Unternehmens erheblich. Die Wertsteigerung der eigenen Gewerbeimmobilie ist ein weiterer positiver Effekt, wenn eine PV-Anlage auf dem Firmengelände installiert wird.
Die Energiepreise in Europa stellen zunehmend ein Risiko für Gewerbe- und Industriebetriebe dar. Mit Beginn der Energiekrise im Jahr 2021 stiegen die Kosten für verschiedene Energieträger wie Strom oder Erdgas stark an. Zwar sind die Preise teilweise wieder auf Vorkrisenniveau zurückgekehrt, doch die geopolitische Gemengelage mit Staaten, die Europa mit Energieträgern wie Erdöl oder Erdgas beliefern, wird immer komplexer und unberechenbarer – und folglich auch die Strompreisentwicklung. Viele Unternehmen wollen sich gegen weitere Preissprünge absichern und bevorzugen eine Stromversorgung durch selbst produzierten Solarstrom.
Auch die Tatsache, dass viele Unternehmen zunehmend klimaneutral wirtschaften wollen oder müssen, begünstigt die Entscheidung für eine firmeneigene Solaranlage. Denn die EU-Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung hat zur Folge, dass viele Firmen ihre Emissionen begrenzen müssen. Darüber hinaus sind viele gewillt, freiwillige Maßnahmen zur Dekarbonisierung umzusetzen. Auf eine klimafreundliche Strom- und Energieversorgung umzustellen, ist dafür eine vergleichsweise begrenzt komplexe und oft ökonomisch vorteilhafte Maßnahme.
Die zunehmende Digitalisierung gibt dem C&I-Segment einen weiteren Schub: Intelligente Energiemanagementsysteme, die PV-Anlagen in Verbindung mit Energiespeichern und/oder Elektromobilitätslösungen steuern, analysieren die Lastprofile eines Unternehmens und passen die PV-Erzeugung der Speicherung und dem Verbrauch an.
Eine feste Definition für das C&I-Segment gibt es nicht, üblicherweise spricht man jedoch von Anlagen mit einer Leistung zwischen 30 Kilowatt Peak (kWp) und 750 bis 1000 kWp. Dabei kann es sich sowohl im klassischen Sinne um Dachanlagen als auch um Parkplatzüberdachungen oder Freiflächenanlagen auf Firmen- und gewerblich genutzten Gebäuden handeln.
Der C&I-Markt befindet sich derzeit im Aufwind: Laut der Marktstudie „European Market Outlook for Solar Power 2024–2028“ des europäischen Branchenverbands SolarPower Europe war C&I in der EU im Jahr 2024 für 39 Prozent des gesamten Zubaus dieses Jahres verantwortlich – 2023 waren es noch bei 36 Prozent. In manchen EU-Märkten entwickelte sich das C&I-Segment sogar deutlich dynamischer, wie aus Studie „Understanding EPC‘s Perspectives on the C&I Solar Market in Six EU Country Markets“ des Think Tanks EUPD Research hervorgeht: In Deutschland erreichte es 48 Prozent der installierten Gesamtkapazität im Jahr 2024, in Italien 43 Prozent, in Frankreich 70 Prozent und in den Niederlanden 55 Prozent. Laut einer weiteren Prognose von EUPD Research wird erwartet, dass der europäische C&I-Sektor von 33 Gigawatt (GW) jährlichen PV-Installationen auf über 40 GW bis 2029 ansteigen wird, wodurch sich bis zu 88 Millionen Tonnen CO₂ einsparen ließen.
Viele europäische Staaten haben die Wichtigkeit der PV im C&I-Sektor erkannt: hohes Dekarbonisierungspotenzial für Gewerbe und Industrie bei gleichzeitigem Nutzen verfügbarer Dachflächen oder bereits versiegelter Flächen für die PV. Daher haben viele EU-Staaten in jüngster Vergangenheit regulatorische Vereinfachungen und Vorteile für die Umsetzung von PV im C&I-Sektor eingeführt. Beispiele sind Deutschland mit dem Solarpaket I im Jahr 2024 (u. a. Wegfall der Ausschreibungspflicht, verbesserte Netzanbindung, höhere Einspeisevergütungen) und Frankreich mit dem Décret Tertiaire im Jahr 2023 (Pflicht für Gewerbe- und Verwaltungsgebäude zur Reduktion des Energieverbrauchs) sowie neuen Einspeisetarifen.
Im C&I-Bereich werden PV-Anlagen zunehmend in Kombination mit Batteriespeichern und E-Mobilitätslösungen errichtet. So lassen sich für Unternehmen die größten Einsparpotenziale realisieren. Ein Batteriespeicher kann den Eigenverbrauch des selbst erzeugten Solarstroms maßgeblich erhöhen und so Verbrauchsspitzen reduzieren. Durch die sogenannte Lastspitzenkappung (engl. Peak Shaving) entstehen erhebliche ökonomische Vorteile für den Betrieb, da Netzentgelte beim Bezug von Netzstrom oft anhand der höchsten Leistungsspitze berechnet werden. Eine weitere Elektrifizierung des Betriebs kann durch die Integration der Fahrzeugflotte erreicht werden: Somit können Firmenfahrzeuge sowie Fahrzeuge der Mitarbeitenden günstig mit Solarstrom aus eigener Erzeugung geladen werden. In einem nächsten Schritt können Unternehmen Vehicle-to-Grid-Lösungen anbieten und so weitere Geschäftsmodelle zur Unterstützung der Netzstabilität erschließen. Auch die Bereitstellung von Primärregelleistung durch den Speicher ist als Geschäftsmodell möglich.
Darüber hinaus kann die PV in Gewerbe und Industrie sektorübergreifend für die Bereitstellung von Wärme und Kälte durch Wärmepumpen eingesetzt werden und so eine kostengünstige Alternative zu Gaskesseln darstellen.
Voraussetzung für eine ökonomisch gewinnbringende Koordination der verschiedenen Systemkomponenten sind Energiemanagementsysteme, die Erzeugung und Lasten analysieren und dementsprechend Speicherung und Verbrauch steuern.
Trotz günstiger Rahmenbedingungen gibt es weiterhin Herausforderungen, die den C&I-Markt hemmen. Dazu zählen komplizierte Genehmigungsprozesse und administrative Hürden, die sich europaweit stark unterscheiden. Auch der C&I-Sektor ist von Netzanschlussproblemen betroffen: Fehlende Kapazitäten, langwierige Anmeldeprozesse, Abregelung sowie hohe Kosten für den Netzanschluss oder dessen Erweiterung haben einen negativen Einfluss auf die Umsetzbarkeit von PV-Projekten in Gewerbe und Industrie. Außerdem bleibt die Höhe der anfänglichen Investition ein Bremsfaktor.
Lösungen für die Umsetzung von PV-Anlagen in Kombination mit Batteriespeichern, E-Mobilität und Energiemanagement für Gewerbe und Industrie gibt es auf der Intersolar Europe, der weltweit führenden Fachmesse für die Solarwirtschaft. Unter dem Motto „Connecting Solar Business“ präsentieren die weltweiten Marktführer ihre neuesten Produktentwicklungen sowie aktuelle Trends und Geschäftsmodelle – von Herstellern, Zulieferern und Händlern über Installateuren und Dienstleistern bis hin zu Projektentwicklern, Planern und Start-ups. Die Intersolar Europe findet vom 7.–9. Mai 2025 im Rahmen von The smarter E Europe, Europas größter Messeallianz für die Energiewirtschaft, auf der Messe München statt.