PV-Gebäudeintegration

Experteninterview – Montag, 05. Juli 2021

Gesprächspartner: Dr. Björn Rau, Helmholtz Zentrum Berlin, Institut Kompetenz-Zentrum Photovoltaik Berlin (PVcomB), Stellvertretender Institutsleiter & Technologieleiter PVcom B, Projektleiter BAIP - Beratungsstelle für bauwerkintegrierte Photovoltaik.

Die „Integrierte Photovoltaik“ ist ein Thema der Stunde. Der notwendige Zubau von PV-Leistung wird erhebliche Flächen zur Energieerzeugung aktivieren müssen. Ein großer Vorteil ist, wenn bereits vorhandene oder sowieso zu errichtende Flächen mehrfach genutzt werden können. Die bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV) ist die älteste Disziplin bei einer flächenneutralen energetischen Erschließung.

Herr Dr. Rau, der Integration von Solartechnik in Dach und Fassade wird seit längerem der Durchbruch aus der Marktnische in die breite Anwendung vorhergesagt. Warum scheinen aktuell die Bedingungen für den nächsten Schritt besonders vielversprechend?

Dr. Björn Rau, Helmholtz Zentrum Berlin

Dr. Rau: Dem Gebäudesektor kommt eine besondere Rolle zu bei der Transformation hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Er ist in Deutschland für etwa 30 % und weltweit sogar für bis zu 40 % aller CO2-Emissionen verantwortlich. Diese Bedeutung haben Politik und Gesellschaft vielerorts bereits erkannt. Neue Gesetze und Verordnungen werden festgelegt, Fördermöglichkeiten zur energetischen Sanierung angeboten.

Darüber hinaus gibt es auch immer mehr Bauherren und Architekten, die ihre Rolle bei der nachhaltigen Gestaltung unserer Städte und Gemeinden ernst nehmen. Gleichzeitig bietet der Markt auch immer mehr Produkte, die eine gestalterische Integration von Photovoltaik in die Gebäudehülle ermöglichen und somit den individuellen Ansprüchen der Bauschaffenden gerecht werden.

Was hat sich technologisch in den letzten Jahren getan? Gibt es Neuentwicklungen, denen Sie eine besondere Bedeutung für die weitere Entwicklung der BIPV zuschreiben?

Dr. Rau: Tatsächlich gibt es mittlerweile eine Vielzahl von technologischen Lösungen, Photovoltaik in die Gebäudehülle zu integrieren. Nicht nur technisch, sondern vor allem auch gestalterisch. Neben rahmenlosen Solarmodulen in vielen Farben und unterschiedlichen Oberflächen, z. B. in der Fassade, spielen auch immer wieder teiltransparente Konzepte eine Rolle als Verschattungselemente in oder vor Fenstern. Nicht zu vergessen, dass es auch immer mehr Anbieter von Dachziegeln mit integrierten Solarmodulen gibt. Eine Möglichkeit Photovoltaik in das Dach zu integrieren und gleichzeitig ein typisches Ziegeldach zu haben.

Wo liegt die Zukunft – werden sich technologische Innovationen bei BIPV-Modulen in Richtung einer „Nicht-Sichtbarkeit“ bewegen, also beispielsweise Transparenzen wie bei Fensterglas oder wird das Modul „ablesbar“ bleiben und am Bauwerk auch als Symbol für Erneuerbare Energien dienen?

Dr. Rau: Die Stärke und die Zukunft der bauwerkintegrierten Photovoltaik wird die Vielfältigkeit ihrer Integration sein. Damit meine ich ihre gestalterische Vielfalt. Das bewusste „technische“ Erscheinungsbild klassischer Photovoltaik wird dabei weniger eine Rolle spielen als die Möglichkeit, Bauelemente in die Gebäudehülle einzubinden, die auch Strom erzeugen können. Ihre vorrangige Aufgabe wird weiterhin darin bestehen, ein Fassaden- oder Dachelement zu sein, das funktionell und gestalterisch zum jeweiligen Gebäude passt.

Der BIPV wird großes Potenzial für die Wertschöpfung in Deutschland bzw. Europa zugeschrieben, da bei vielen Projekten maßgeschneiderte Lösungen zur Anwendung kommen. Gleichzeitig wird aber ein Skalierungseffekt zur Kostenreduktion notwendig sein. Wie kann die BIPV das bewerkstelligen?

Dr. Rau: Die Integration von Photovoltaik in eine Gebäudehülle ist immer verbunden mit einem individuellen Bauvorhaben. Natürlich gelten bestimmte Standards und Richtlinien aber insbesondere bei Abmaßen von Fassadenelementen, Schnittstellen zu anderen Baumaterialen und bei der Unterkonstruktion gibt es viel Flexibilität in der klassischen Bauausführung. Solarmodule sind von ihrer Art her nicht so einfach „maßzuschneidern“, insbesondere aus Kostengründen. Daher ist beides gefragt. Leicht zu verplanende Standardsolarmodule, idealerweise auch bereits mit einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung und die projektbezogenen Lösungen, aufwendiger in der Fertigung, aber mit hohem gestalterischen Potenzial.

Erstere eignen sich besonders für große Bauvorhaben und für wiederkehrende Rastermaße, z. B. in Fassaden. Hier muss die PV-Industrie eine Art Katalogware anbieten. Letzteres birgt zwar höhere Kosten, aber die Realität zeigt, dass Bauherren selten auf die billigsten Materialen und Bauelemente, wenn sie ihre Gebäudehülle planen. Die Fassade ist das Gesicht des Gebäudes. Die BIPV-bezogene Wertschöpfung hängt aber nicht allein am Solarmodul. Gerade die Planung und Bauausführung ist eine Aufgabe von Architekten, Planern und Firmen, die den lokalen Markt kennen und z. B. mit den oft auf lokaler Ebene geltenden Vorschriften und Regelungen vertraut sind. Auch verlangt eine erfolgreiche Integration einen engeren Austausch zwischen Bauherren und Ausführenden. Letzterer ist übrigens häufig nicht allein der Solarteur sondern viel mehr der Fassadenbauer oder der Dachdecker.

Mit der Beratungsstelle für bauwerkintegrierte Photovoltaik (BAIP) bieten Sie Bauherren, Architekten und Planern Unterstützung bei der Umsetzung von PV-Projekten in Dach und Fassade an. Welche Fragestellungen haben sich als die wesentlichen erwiesen? Wo müssten die nächsten Maßnahmen ansetzen, um BIPV-Projekte in der Breite voranzubringen?

Dr. Rau: Die BAIP stellt Informationen über verfügbare Technologien, Produkte, technische und baukonstruktive Umsetzbarkeiten und rechtliche Rahmenbedingen für die Zielgruppen zur Verfügung. Dabei sind Produktneutralität und finanzielle Unabhängigkeit entscheidend für die Akzeptanz des Angebots und auch unser Alleinstellungsmerkmal. Wir beraten individuell zu einzelnen Bauvorhaben und wir informieren in Form von Fortbildungsveranstaltungen und Seminaren, z. B. in Kooperation mit Architektenkammern.

Die Anfragen reichen von privaten Eigentümern, Architekturbüros, öffentlichen Bauträgern, Hochschulen, Wohnungsbaugesellschaften bis hin zur Energiewirtschaft. Die Themenvielfalt erstreckt sich dabei von generellen bzw. auch ganz konkreten technischen und gestalterischen Möglichkeiten, Ertragsanalysen, über Brandschutz und Baurechtlichem bis hin zu Betreiberkonzepten der Eigentümer.

Für die weitere Verbreitung von BIPV ist es unverzichtbar, dass bei der solaren Aktivierung von Gebäuden stets die Gebäudehülle als Ganzes betrachtet wird und nicht nur das Dach. Das wird leider häufig, selbst in aktuellen Solargesetzen, vernachlässigt. Darüber hinaus ist es wichtig, die Möglichkeiten der BIPV in die Bauwelt hineinzutragen und Bauherren und Architekten zu informieren, anzuregen und zu unterstützen. Die PV-Branche muss verstehen, dass BIPV-Elemente primär Bauelemente sind und erst in zweiter Linie Solarmodule. Es sind daher Allianzen nötig, die geeignete Lösungen finden für eine erfolgreiche Integration von Photovoltaik.

Schlussendlich müssen die existierenden Hürden abgebaut werden, denn der rechtliche Rahmen (z. B. Baurecht und Brandschutz) und auch Themen wie Mieterstrom sind oft zu kompliziert und abschreckend für den einzelnen Bauherren.

Interview: Fabian Flade (Büroleiter Solarenergieförderverein Bayern e. V. und Organisator des Architekturpreis Gebäudeintegrierte Solartechnik) 05.07.2021

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