N-Typ-Technologie: „Es geht viel schneller als vorausgesagt“

Experteninterview – 27. November, 2023

In der Solarzelltechnologie zeichnet sich derzeit ein rascher Wandel ab: Hocheffiziente n-Typ-Solarzellen mit den drei Zelltypen TOPCon, HJT und IBC werden immer mehr zum Mainstream in der Zellproduktion und lösen p-Typ-Zellen zunehmend ab. Was bedeutet das für die Produktionsindustrie, Händler und Installateure?

Radovan Kopecek, CEO, CTO und Mitbegründer des ISC Konstanz

Das haben wir im Gespräch mit Radovan Kopecek, Geschäftsführer, CTO und Co-Founder beim industrienahen Forschungsinstitut ISC Konstanz, welches sich seit seiner Gründung in 2005 für den Einsatz von bifazialen n-Typ-Zellen stark gemacht hat, erfahren.

Das ISC hat bereits acht Technologietransfers der n-Typ-Technologie mit Unternehmen aus Europa, China und Indien durchgeführt. „Wenn sich China für eine Technologie entscheidet, dann geht es viel schneller, als alle das vorausgesagt haben“ sagt er, den derzeitigen Transformationsprozess bewertend.

Derzeit zeichnet sich in der Solarbranche ein technologischer Wandel von der p-Typ-Zelle zur n-Typ-Zellen ab. Können Sie abschätzen, welchen prozentualen Marktanteil n-Typ-Zellen im Jahr 2023 einnehmen werden, und zwar sowohl in der aktuellen Produktion, in der Schaffung neuer Produktionskapazitäten sowie in den derzeitigen Installationen?

Bis dato wurden schon über ein Terawatt (TW) Maschinen für n-Typ-Zellen gebaut. Die Maschinenbauer haben momentan ein Problem: Sie kriegen die Maschinen jetzt nicht abgesetzt. Auch aufgrund internationaler Handelsbeschränkungen, die China im Bereich PV-Produktionsmaschinen zuletzt einseitig gegen Indien erhoben hat. Es gibt dort eine große Überkapazität, also nicht nur bei der Zell- und Modulproduktion allgemein, sondern es wurden schon zu viele Maschinen gebaut.

PVinsights schätzte 500 Gigawatt Maschinen für n-Typ-Technologien bis Ende 2023. Faktisch sind es nun mehr als doppelt so viele, also ein TW! Aber es gibt noch nicht so viele Linien, die ausgestattet werden müssen.

Die Produktionskapazität für n-Typ-Technologien liegt momentan bei schätzungsweise 400 GW. Für 2024 sind die Prognosen eindeutiger: Da heißt es, dass 70 Prozent der Produktion im nächsten Jahr von der n-Typ-Zelle stammen werden: der Switch geht schnell. Hauptsächlich wird es zu 80 Prozent die TOPCon-Technologie sein, und Heterojunction (HJT) zu 10 Prozent, ebenso IBC zu 10 Prozent.

Wie kommt das Überangebot an Produktionsanlagen zustande? Hat das ähnliche Gründe wie der sogenannte Modulstau?

Es gibt vier, fünf große Maschinenbauer, die relativ schnell die Kunden beliefern wollten, aber übers Ziel hinausgeschossen sind. Wahrscheinlich wollten sie sich in der Geschwindigkeit übertreffen, um Bestandskunden schneller zu bedienen.

Wie gestaltet sich der Wechsel im Hinblick auf den Aus-, Um- und Aufbau von Produktionsanlagen für n-Typ-Zellen?

Die großen Tier-1-Hersteller, die sowieso schon große Kapazität an PERC hatten, bauen aus. Hauptsächlich auf die TOPCon-Technologie, denn PERC kann man auf TOPCon sehr einfach ausbauen. Newcomer werden um weitere Kapazitäten mit HJT und TOPCon ergänzen. Das geht so, dass die großen chinesischen Maschinenbauer Turnkey-Fabriken anbieten werden. Dann kann ein Hersteller, der sich bisher nicht auf PV konzentriert hat, einfach eine Turnkey-Fabrik von mehreren GW bestellen, und es wird dann geliefert. Das heißt, es ist eine Mischung an Expansionen der alten Linien und Installation von neuen TOPCon und HJT. Das Gewicht geht dann eher Richtung TOPCon aufgrund der Upgrades der alten PERC-Linien und geringerem CAPEX und OPEX.

Welche Branchenakteure wie Hersteller oder Investoren setzen vermehrt auf n-Typ-Zellen und warum?

China hat sich entschieden, komplett umzustellen, PERC auf n-Typ-Technologie. Das heißt, es gibt tatsächlich keine Investments mehr in p-Typ. Der Wechsel geht aber zu schnell, denn es gibt zwar Hersteller, die wissen, wie man TOPCon gut herstellen kann, aber längst nicht alle. Vor allem die Tier-1-Hersteller, die schon seit Jahren daran forschen und erfahrene Leute haben, wissen was sie tun. Aber eben diese neuen Kapazitäten, hauptsächlich von Firmen, die eine Turnkey-Linie bekommen, die werden erstmal Schwierigkeiten haben, qualitativ hochwertige Produkte zu fertigen. Da ist man gut beraten, erstmal die Tier-1-Produkte zu kaufen, auch wenn sie vielleicht bisschen teurer sind.

Es wird, wie bei PERC, eine Zeit der Verunsicherung geben, und dann werden alle sagen: „die Technologie funktioniert nicht, das ging alles viel zu schnell“. Aber wenn man weiß, was man macht, dann ist die n-Typ-Technologie besser als p-Typ. Aber dadurch, dass die Solarzellenprozesse immer komplexer werden, gibt es natürlich auch ein höheres Potenzial, zu degradieren.

Anhand welcher Kriterien sollen Installateure oder Großhändler derzeit Kaufentscheidungen für n- oder p-Typ-Zellen treffen?

Schwierig zu sagen. Es gibt PERC-Module, die sind immer noch günstiger. Mittlerweile kriegt man PERC für 12 Cent/ Wattpeak (Wp). Sie müssen rechnen. Da sind einerseits die Modulkosten, dann gibt es das Datasheet mit Angaben zu Effizienz, Degradationskoeffizienten etc. Es ist nicht so, dass ich jetzt sage: nur noch n-Typ-Module kaufen, weil sie besser sind. Wir sind momentan in der Umschwungphase, wo sich p-Typ immer noch lohnt, aber n-Typ vielleicht mehr oder doch nicht, je nachdem, was man angeboten bekommt. In ein, zwei Jahren wird sich p-Typ nicht mehr lohnen.

Welche Vorteile weisen n-Typ-Zellen gegenüber p-Typ-Zellen auf, und gibt es auch Nachteile?

Es gibt Nachteile: die Technologie ist komplexer. Man hat mehr Produktionsschritte. Demzufolge muss man verstehen, was jeder Produktionsschritt bewirkt und was für Probleme es geben könnte. Jedoch sind die Module sehr stabil. Man kann Garantien über 30 Jahre geben, etwa 50 Jahre. Die Vorteile sind eindeutig. Man hat eine höhere Frontseiteneffizienz. Die p-Typ-Technologie kommt im Modul über 22 Prozent nicht hinaus. N-Typ-Technologie erreicht locker über 22 Prozent, auch teilweise über 23 Prozent. Dann eine höhere Bifazilität.

Man hat einen geringeren Temperaturkoeffizienten, das heißt, wenn es heiß wird, performt das Modul besser als p-Typ, und die geringere Degradation, wenn alles ordnungsgemäß produziert wird.

Wie sieht es mit der Verfügbarkeit von Materialien aus?

Der Unterschied zu p-Typ-Zellen ist, dass man mehr Silber verwendet. Man ist dabei, Silber teilweise durch Kupfer zu ersetzen. Das ist möglicherweise das Kritischste an der n-Typ-Technologie. Es gibt Stimmen die bemängeln, dass wenn wir in das Terawatt-Zeitalter einsteigen, also ab 2027 jährlich über ein TW produzieren, die Silberverfügbarkeit nicht ausreicht. Das ist nicht meine Meinung – es wird sehr intensiv an der Silberreduktion gearbeitet. Wir schaffen es aber auch diese Herausforderung zu meistern.

Das Interview führte Sarah Hommel de Mendonça.

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