Agri-PV: „Landwirtschaftliche Produktion muss im Vordergrund stehen“

Experteninterview – 09. Februar 2024

Aufgrund von Flächenknappheit wird das Thema doppelte Flächennutzung durch PV und Landwirtschaft in Europa heiß diskutiert. Agri-PV ist eine komplexe Angelegenheit, da sie gleichzeitig Landwirte, Landbesitzer sowie Investoren betrifft.

Beim AgriVoltaics Industry Forum im November 2023 in Straßburg sprachen wir mit Darrell Leroux, Energie- und Klimaberater beim französischen Bauernverband (Fédération Nationale des Syndicats d'Exploitants Agricoles – FNSEA), darüber, wie Agri-PV-Projekte erfolgreich umgesetzt werden können, ohne die landwirtschaftliche Produktion einzuschränken.

Wie hat sich die Einstellung der Landwirte gegenüber Agri-PV über die letzten Jahre verändert?

Noch vor ein paar Jahren war Agri-PV in Frankreich für Landwirte eine Art Tabu. Als das Thema aufkam, dachten die Landwirte, ihre Getreidefelder sollten Freiflächen-Solaranlagen weichen. Es gab keine gesetzlichen Regelungen. Manche Projekte wurden auch als Agri-PV bezeichnet, obwohl sie kaum etwas mit landwirtschaftlicher Produktion zu tun hatten – sogenannte „Alibi-Projekte“. Inzwischen haben wir die Wahrnehmung verändert, indem wir Aufklärungsarbeit betrieben haben. Zum Bespiel eignet sich nur ein kleiner Teil der landwirtschaftlichen Flächen für Agri-PV-Projekte.

In Frankreich könnten bis 2030 0,2 % der landwirtschaftlichen Flächen mit Agri-PV bebaut werden, bis 2050 maximal 0,5 %. Von einem Untergang der Landwirtschaft, wie er teilweise prophezeit wurde, kann also keine Rede sein. Die Definition von Agri-PV ist mittlerweile auch gesetzlich festgelegt. Es gibt einen klaren Unterschied zwischen Freiflächen-PV-Anlagen ohne landwirtschaftliche Nutzung und Agri-PV. Immer mehr Menschen interessieren sich für solche Projekte.

Sie haben Alibi-Projekte erwähnt. Was ist das genau?

Dabei handelte es sich um Projekte, bei denen die Investoren den Landwirten hohe Einnahmen versprachen, ohne die Weiterführung der landwirtschaftlichen Produktion zu garantieren. Sie präsentierten sie der Gemeindeverwaltung als besonders sinnvolle Projekte, bei denen Energie sowie landwirtschaftliche Produkte erzeugt werden würden.

Erst Jahre später stellten wir fest, dass die Landwirte die Agrarproduktion eingestellt hatten, da es keinen Anreiz mehr gab, das Land weiter zu bewirtschaften. Landwirtschaft ist harte Arbeit. Die Menschen haben die Chance ergriffen, die sich ihnen bot. Jetzt gibt es eine gesetzliche Regelung und Kontrollmechanismen, die so etwas verhindern sollen.

Was muss darin vorgesehen sein, damit dies einen Missbrauch von landwirtschaftlichen Flächen verhindert?

Der wichtigste Punkt, den wir für ein nationales Gesetz vorschlugen, war die Definition von Agri-PV als Energieerzeugung mit PV-Modulen in Verbindung mit landwirtschaftlicher Produktion unter diesen Modulen. Die Solarmodule müssen dabei einen Nutzen für die Landwirtschaft haben und vier Hauptfunktionen erfüllen: Erstens, das Wohl der Tiere gewährleisten, wenn es sich um einen Betrieb mit Tierhaltung handelt.

Zweitens, die Bodenproduktivität steigern. Drittens, Schutz gegen unberechenbare Wetterereignisse wie Hagel bieten. Viertens sollen sie einen Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel leisten, indem sie die Böden vor dem Austrocknen bewahren.

Die landwirtschaftliche Produktion muss dabei immer im Vordergrund stehen und die Haupttätigkeit des Betriebs sowie auf dem betroffenen Grundstück bleiben. Die nächste Verordnung wird eine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der landwirtschaftlichen Produktion unter den Solarmodulen enthalten. Außerdem brauchen wir für die Wiederherstellung des Agrarlands nach der Installation der Solarmodule finanzielle Garantien. Zudem brauchen wir strenge Kontrollen durch Behörden und harte Sanktionen in Missbrauchsfällen.

Wie kann die Beliebtheit von Agrophotovoltaik als Form der Landnutzung gesteigert werden? Landwirte sind nach wie vor skeptisch.

Die Landwirte interessiert zwei Dinge: Erstens, der direkte Einfluss der Module auf die landwirtschaftliche Produktion. Solarmodule können die Produktion resilienter machen. Im Süden Frankreichs gibt es beispielsweise viele Weinberge und Obstanbau. Nachgeführte Module können diese Pflanzen vor hitzebedingten Risiken schützen.

Zweitens interessieren Landwirte sich für den Umsatz. Die Stromproduktion stellt ein wichtiges zweites Standbein dar und ergänzt das Einkommen aus der Landwirtschaft. Dadurch werden die Betriebe widerstandsfähiger und sind besser an den Klimawandel angepasst. Außerdem ist die Energieerzeugung ein neuer Hebel bei der Wertschöpfung.

Nimmt der Wettkampf um Pachtland zwischen Landwirten und Investoren zu?

In Frankreich sind Investoren inzwischen durch gesetzliche Vorschriften eingeschränkt. Landwirtschaft darf nicht mehr durch Photovoltaik ersetzt werden. Allerdings gibt es ein demographisches Problem, da es zu wenig junge Landwirte gibt. Wir versuchen, mehr junge Landwirte zu gewinnen, um einen Generationswechsel zu gewährleisten. Das wird jedoch durch die hohen Bodenpreise erschwert und Agri-PV-Investoren können die Bodenpreise noch weiter in die Höhe treiben. Es kann also durchaus ein Wettbewerbsdruck entstehen, der gesteuert und reduziert werden muss.

Wie können wir die Landwirte bei der Beteiligung an Agri-PV auf Pachtflächen unterstützen, damit nicht nur Landbesitzer und Investoren von der Solarproduktion auf Ackerflächen profitieren?

Es gibt das klassische Modell, bei dem der Investor dem Landbesitzer Pacht zahlt. Dabei wird der Gewinn zwischen dem Landbesitzer und dem Landwirt aufgeteilt. In Frankreich werden zwei Drittel der Ackerflächen von landwirtschaftlichen Pächtern bestellt und nicht vom Landbesitzer selbst. Das bedeutet, dass drei Parteien einen Anteil am Gewinn erhalten. Das möchten wir fördern. Üblicherweise erhöht das den Wert des Betriebs und das ist gut.

Wir fürchten aber, dass es nicht viele solcher Projekte geben wird – vielleicht 5.000 Projekte in den nächsten zehn Jahren, verteilt auf 400.000 Betriebe in ganz Frankreich. Wir möchten, dass der durch solche Projekte geschaffene Mehrwert geteilt wird, um Wettbewerb und Spekulation zu vermeiden. Der erste Schritt ist die gerechte Aufteilung des Gewinns zwischen den drei Parteien auf der Grundlage eines Vertrags. Abgesehen davon gibt es die Möglichkeit, den Gewinn auf Ebene der Départements aufzuteilen.

Genossenschaften könnten in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen. Eine Genossenschaft könnte eine kollektive Struktur für Energieerzeuger und Investoren bieten, um von den Projekten zu profitieren. Darüber hinaus gibt es auch andere Systeme, wie zum Beispiel die Finanzierung eines Fonds für die Entwicklung von Projekten. Ferner könnten Landwirte nicht nur die Flächen zur Verfügung stellen, sondern aktiv am Projekt beteiligt werden, zum Beispiel in Form einer Gewinnbeteiligung. Sie müssen zunächst investieren und beziehen dann ein Einkommen aus der vereinbarten Miete und dem variablen Erlös aus der Energieerzeugung.

Das ist wie ein Vertrag, durch den man jedes Jahr den gleichen Erlös plus einen zusätzlichen Erlös je nach Projektrentabilität erhält. Aber dafür muss der Landwirt eben am Projekt beteiligt sein. Auch in das Projektmanagement wäre er dann eingebunden. Auf diese Weise können Landwirte davon überzeugt werden, dass die Agrophotovoltaik eine Möglichkeit zur Diversifizierung und eine zusätzliche Einkommensquelle für sie darstellt.

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