„Solarenergie zeigt bereits jetzt eine steile Kostensenkungskurve“

Experteninterviews – Donnerstag, 01. April 2021

2020 war ein überraschendes Jahr für die europäische Solarindustrie. Die Solarbranche hatte gerade ihr zweitbestes Jahr in der Geschichte. Wie hat sich der Markt verändert und welche Länder haben am meisten profitiert? Michael Schmela, Executive Advisor und head of market intelligence von SolarPower Europe gibt Auskunft.

Anfang 2020, als die Pandemie losging, haben wir vorausgesagt, dass es ein hartes Jahr für die Solarbranche werden würde. Im Nachhinein können wir sagen, dass es das zweitbeste Jahr der Geschichte war. Wie konnte das passieren?

Der Solarbereich ist ziemlich gewachsen. Tatsächlich ist die neu installierte Solarleistung in der Europäischen Union um 11 Prozent auf 18,2 Gigawatt im Jahr 2020 gestiegen. Alleine das Wachstum in Pandemiezeiten ist bemerkenswert. Noch überraschender ist jedoch, dass es zweistellig gestiegen ist, und zwar auf ein Niveau, welches das zweitbeste in der Geschichte der europäischen Solarindustrie ausmacht.

Was glauben Sie, waren die entscheidenden Faktoren, die diese Widerstandsfähigkeit bei diesem zweistelligen Wachstum unterstützt haben? Sind diese Faktoren auch für 2021 noch vorhanden?

Eigentlich wird es nur noch besser. Die Solarenergie zeigt bereits jetzt eine steile Kostensenkungskurve. Letztes Jahr hatten wir in den meisten europäischen Ländern ein Niveau erreicht, wo Solar günstiger war als die anderen Stromerzeugungsquellen. Und so machte es einfach Sinn, zu investieren, natürlich auch in größere Kraftwerke und größere kommerzielle, industrielle Dachanlagen. Was der Solarbranche auch in die Hände gespielt hat, ist, dass trotz teilweiser oder sogar starker Abschaltungen für eine gewisse Zeit, die Märkte trotzdem weiterliefen. In Deutschland zum Beispiel haben die Handwerker das ganze Jahr über weitergearbeitet, und in anderen Märkten, in denen die Arbeit am Bau von Kraftwerken für eine Weile komplett eingestellt wurde, ging es dann später weiter. Natürlich ist Solar nicht so stark gewachsen, wie wir erwartet hatten, aber deutlich mehr als wir befürchtet hatten. Und das liegt einfach daran, dass die Installateure weiterhin ihre Arbeit gemacht haben.

Werden auf das überraschend positive Jahr 2020 noch weitere Wachstumsjahre folgen?

Bislang haben wir in unserem neuen Marktausblick einen Markt von 22,4 Gigawatt im Jahr 2021 prognostiziert, also deutlich größer als im letzten Jahr. Das wäre dann auch ein Allzeithoch für die Europäische Union und würde den zehn Jahre alten Rekord von 21,3 Gigawatt aus dem Jahr 2011 übertreffen.

Sie sind also sehr zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr das Allzeithoch übertreffen werden? Und was denken Sie, wie wird der Markt dann weitergehen?

Ja, eigentlich sind wir sogar noch optimistischer, wir rechnen sogar mit über 27 Gigawatt im Jahr 2022 und überschreiten sogar die 30-Gigawatt-Marke im Jahr 2023 mit knapp einunddreißig Gigawatt. Das würde eine um 15 bis 18 Prozent höhere Bereitstellung bedeuten, als wir ursprünglich im Fünf-Jahres-Marktausblick 2019 angenommen haben. Wenn wir zum letzten Jahr dieses Fünfjahresausblicks gehen, den wir gerade veröffentlicht haben, sehen wir, dass Europa sogar die 35-Gigawatt-Marke überschreiten wird. Das bedeutet also, dass wir wirklich sehen würden, dass über 115 Gigawatt bis 2024 installiert werden.

Deutschland gilt als eines bedeutendsten Länder am europäischen PV-Markt. Ist das auch in diesem Jahr so?

Wir prognostizieren, dass Deutschland im Jahr 2020 der größte Solarmarkt in Europa ist. Und das ist eine Position, die, denke ich, drei Viertel der letzten zwei Jahrzehnte gehalten hat. Ich glaube, in den vergangenen 20 Jahren war Deutschland 14 Mal der größte Markt, was interessant ist, wenn man das Klima in Deutschland betrachtet. Auf der anderen Seite ist es die stärkste Wirtschaft und auch das Land mit der größten Bevölkerung. Ich denke, wenn man sich Deutschland anschaut, sind wir ziemlich zuversichtlich, dass Deutschland auch in den kommenden Jahren an der Spitze bleiben wird. Vor kurzem wurde das EEG, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, überarbeitet. Es ist nicht alles toll, was da drinsteht, da hätte man vieles besser machen können. Aber am Ende wurden tatsächlich einige Änderungen vorgenommen, die dem entsprechen, was die Branche gefordert hatte. Und wir glauben, dass der Markt auch im Jahr 2020 die Nummer eins in Europa sein wird für.

Wie sieht es hinsichtlich der nachfolgenden Länder aus. Gibt es Veränderungen in der Dynamik und bei den Wachstumsraten?

Die Niederlande ist um einen Rang auf den zweiten Platz aufgestiegen, nachdem sie 2,8 GW installiert haben, also deutlich weniger als die 4,8 GW in Deutschland. Aber immer noch beeindruckend, wenn man sich die Größe des Landes ansieht. Dahinter folgt der Marktführer von 2019, Spanien, mit einem Zubau von rund 2,8 Gigawatt. Das war auch zu erwarten, weil Spanien 2019, als sie nach langer Zeit Marktführer waren, von ausschreibungsbasierten Anlagen profitiert hat, die installiert werden mussten. Da gab es eine klare Deadline. Es gab keine andere Deadline im Jahr 2020 für irgendwelche neuen Ausschreibungen. Deshalb ist der Markt wieder gesunken. Aber trotzdem denke ich, dass es sehr positiv ist, was wir in Spanien gesehen haben, weil ein großer Teil dieses Wachstums von subventionsfreien Solarsystemen ausging. Und das zeigt einmal mehr die Attraktivität der Solarenergie. Die größte Überraschung war Polen. Sie waren der viertgrößte Markt. Polen hat mehr als zwei Gigawatt installiert, also mehr als doppelt so viel wie im Jahr zuvor, und wir sehen, dass Polen ein sehr attraktiver Markt bleibt. Wenn man sich also die Top 5 anschaut, dann ist das letzte Land in dieser Gruppe Frankreich, das etwa 900 Megawatt installiert hat. Das war ziemlich enttäuschend. Frankreich hat eigentlich ziemlich große Pläne, aber irgendwie und das sind vor allem administrative Barrieren, die verhindern, dass diese Anlagen Realität werden.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass in der Solarbranche wirklich alles in Ordnung ist. Zweistelliges Wachstum, ein erstaunlicher Ausblick. Was bewirken also diese positiven Nachrichten? Und gibt es noch einige Probleme, die die Branche überwinden muss?

Das Positive ist, dass wir bei SolarPower Europe feststellen, dass die Solarenergie zunehmend auf dem Radar der europäischen Entscheidungsträger landet. Wenn wir auf das Jahr 2020 zurückblicken, haben 22 der 27 EU-Mitgliedsstaaten mehr Solaranlagen installiert als im Jahr zuvor. Ermutigend ist auch, dass bereits 2019 mehr Solarkapazität installiert wurde als bei jeder anderen Stromerzeugungsquelle in der EU. Und das gilt wahrscheinlich auch für 2020. Es ist auch toll, dass im Grunde alle EU-Mitgliedsstaaten Solar in den nationalen Energie- und Klimaplänen, dem sogenannten NECPs, anerkannt haben. Darin legen sie dar, wie sie die EU-Ziele für 2030 erreichen wollen. Aktuell sind die Ambitionen jedoch viel zu niedrig, wir brauchen viel mehr Solar ein deutlich schnelleres Wachstum.

The smarter E Podcast

Das ausführliche Interview mit Michael Schmela gibt es auch als Podcast in englischer Sprache.

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