"Unternehmen werden nicht auf die günstigste Form des Strombezugs verzichten"

Experteninterview – 23. Januar 2023

Im Gewerbesektor finden sich sachgemäß große Flächenpotenziale mit besonders guter Eignung für die Errichtung von PV-Anlagen. Hier können größere Strommengen produziert und auch für den Eigenverbrauch der Unternehmen herangezogen werden, welche sich so klimaneutral mit Energie versorgen. Bereits versiegelte Flächen werden optimal genutzt. Trotzdem stagnierte der Ausbau im Gewerbe viele Jahre aufgrund niedriger Vergütungssätze und bürokratischer Hürden. Jüngst hat mit den hohen Börsenstrompreisen der PV-Markt im Gewerbesegment wieder voll an Fahrt aufgenommen.

Wir haben über diese Entwicklung mit Florian Schmidt, Teamleiter Business Development & Operations für Energiedienstleistungen für das Gewerbe- und Industriekundensegment der Hanwha Q CELLS GmbH gesprochen.

Interview mit Florian Schmidt

Welche Planungs- und Umsetzungsschritte habe ich als Unternehmer, wenn ich großflächig Photovoltaik auf einem Gewerbedach installieren möchte?

Zunächst sollte sich der Unternehmer überlegen, welche Flächen allgemein zur Verfügung stehen und ob sich diese für PV eignen. Ebenso, ob selbst investiert werden soll, eine Finanzierung bei der Hausbank oder einem PV-Anbieter möglich ist oder die Anlage generell gepachtet bzw. ein Stromliefer-Contracting gewählt werden soll. Auch ist zu entscheiden, für welche Anwendungen der in der PV-Anlage produzierte Strom genutzt werden soll, also für die reine Stromversorgung des Unternehmens, für E-Ladepunkte, für die strombasierte Wärmeversorgung, für Kühlung/Lüftung etc.

Hilfreich ist zudem ein aktueller Stromverbrauchslastgang, der angibt, wie hoch der Stromverbrauch im Tages- und Jahresverlauf ist, um zu sehen, wie die PV-Produktion zum Vor-Ort-Stromverbrauch passt.

Mit diesen Informationen sollte dann ein kundiger PV-Anbieter angesprochen werden - bei mehreren Standorten, idealerweise ein überregional tätiges Unternehmen wie Qcells mit entsprechender PV-Erfahrung und Betreibermodellen im Angebot. Gemeinsam mit diesem Partner wird dann im Rahmen einer Machbarkeitsanalyse schrittweise geklärt, welcher Anlagentyp, welche Anlagengröße und welches Betreibermodell möglich ist, welche Genehmigungen und weitere Klärungen, zum Beispiel Einspeisepunkte notwendig sind und wie vor Ort nicht nutzbarer Strom vermarktet werden kann.

Ist das Ergebnis der Analyse positiv für den Unternehmer, wird der PV-Partner beauftragt und dieser setzt die Anlage gemäß den Anforderungen des Unternehmers um und kümmert sich idealerweise auch um die nachgelagerten Themen, wie zum Beispiel die Vergütung des ins Netz eingespeisten Überschussstroms.

Wie unterscheidet sich dieser Planungsprozess zum Privathaushaltssegment?

Die Unterschiede zum Privathaushalt liegen vor allem in den eventuell anderen Anforderungen an die Finanzierung, steuerliche Bewertung und Bilanzierung der Anlage, in notwendigen Genehmigungen, zum Beispiel Baugenehmigung für Freifläche und der Festlegung eines Einspeisepunktes. Auch, ob eventuell die Notwendigkeit besteht, eine Trafostation zu bauen, die Prüfung der Zertifizierungspflicht von Anlagen über 135kW Leistung und eineVermarktung der Stromüberschüsse.

Welche technischen Trends zeichnen sich derzeit für Photovoltaik auf Gewerbedächern ab?

Das Stichwort lautet hier Sektorenkopplung. Der Strombedarf in den Unternehmen steigt dadurch in den kommenden Jahren weiter an, da auch Sektoren wie Mobilität oder Wärme aus Kostengründen und Gründen der CO2-Einsparung elektrisch werden. Bei der Anlagenplanung sollte dieser steigende Bedarf von Anfang an berücksichtigt werden. In der Tendenz werden die Anlagen daher größer. Um das künftige Optimum zu ermitteln, braucht es ganzheitliche Konzepte für Strom, Wärme und Mobilität, Reststromversorgung sowie Überschussspeicherung und -vermarktung mit entsprechender Hardware für Anlagenüberwachung, -optimierung und -steuerung.

Welche PV-Geschäftsmodelle sind im Gewerbebereich derzeit am gefragtesten und lukrativsten?

Bei den aktuell sehr hohen Kosten für Strom und Wärme sicherlich der Kauf der Anlage und die Eigenversorgung mit Solarstrom zu planbaren Mengen und Kosten. Bei steigenden Zinsen und hohen Kosten, die Unternehmen derzeit abseits der Energieversorgung zu tragen haben, interessieren sich viele Unternehmen zudem für Finanzierungsangebote und Energiedienstleistungen wie Stromliefer-Contracting. Diese ermöglichen es Gewerbe- und Industriekunden, auch ohne selbst sofort zu investieren und sich selbst um die Anlage kümmern zu müssen, günstigen PV-Strom vom eigenen Dach zu beziehen. Insbesondere Kunden, die jetzt aufgrund der hohen Strombezugskosten auf PV aufmerksam werden, wollen zumeist nichts mit dem Anlagenbetrieb zu tun haben. Das überlassen sie gern großen und erfahrenen Dienstleistern, die Anlagen mit Qualitätskomponenten zur Verfügung stellen, die gut aufeinander abgestimmt sind und neben dem Anlagenverkauf auch Verpachtungs- und Contractingoptionen anbieten. Damit können die Unternehmen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren.

Einige Bundesländer in Deutschland haben jüngst eine Solarpflicht für Gewerbeneubauten und teilweise Bestandsgebäude bei Dachsanierungen eingeführt. Werden diese politischen Maßnahmen die Umsetzung von Gewerbe-Solardächern in Deutschland boostern?

Auch ohne Solarpflicht ist das Interesse an Solaranlagen sehr stark gestiegen. Die allermeisten Unternehmen werden bei Neubauten nicht auf die günstigste Form des Strombezugs verzichten. Dennoch ist es natürlich ein wichtiges Signal an die Unternehmen, dass Solarenergie nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern auch aus Klimaschutzgründen erforderlich ist. Insofern wird die Nachfrage nach Solaranlagen auf Gewerbeimmobilien natürlich einen zusätzlichen Push erhalten. Wichtig ist aber, dass die Qualität der PV-Anlagen nicht unter der reinen Verpflichtung zur Installation leidet. Insofern ist es wichtig, sich einen erfahrenen PV-Anbieter zu wählen.

Förderdeckel, Investitionsbarrieren und Auktionspflicht waren Gründe dafür, warum sich der Solarausbau im Gewerbe im Jahr 2021 stark rückläufig entwickelt hatte. Sind diese Flaschenhälse nun effizient angegangen und behoben worden?
Und welche Hürden sehen Sie nach wie vor für die Umsetzung der Solarpflicht von Seiten der Gewerbetreibenden?

Ich denke, die EEG-Novelle hat schon einige, auch erst kürzlich eingeführte Hürden wieder abgesenkt. Ein gutes Beispiel im Gewerbebereich war die komplizierte 50% Regelung für Anlagen zwischen 300 und 750 Kilowattpeak (kWp), die besagte, dass nur 50% des eingespeisten Stroms mit der Marktprämie vergütet werden, außer man nimmt an einer Ausschreibung teil, die dann aber wieder den Eigenverbrauch unmöglich gemacht hätte. Diese Regelung wurde ja erst mit dem EEG 2021 eingeführt und nun wieder aufgehoben.

Das größere Problem ist auf absehbare Zeit aber nicht die Nachfrage, sondern die Installationskapazität. Mehrere Monate Wartezeit sind keine Seltenheit. Bauherren sollten dies von Anfang an mitberücksichtigen. Mutmaßlich werden viele Gebäude bereits fertiggestellt und genutzt werden, bevor die Solaranalage in Betrieb genommen werden kann. Hinreichende Übergangsfristen bei der Auslegung der Solarpflicht werden daher notwendig werden.

Stichwort Sektorkopplung: Welche Tendenz vermerken Sie von Hanwha Q Cells bei den Anfragen nach Kombinationslösungen von PV mit Batterien und E-Mobilitätsinfrastruktur im Gewerbesegment?

Es besteht eine große Nachfrage durch den Bedarf der Unternehmen an günstigem Strom aus Erneuerbaren und Kombinationslösungen – maßgeschneidert für die spezifischen Anforderungen unserer Kunden. Wir arbeiten deshalb ständig an Lösungen, um unsere Angebotspalette für den Gewerbe- und Industriekunden sinnvoll zu erweitern. Zudem haben wir schon heute Partner, mit denen wir Unternehmen Komplettlösungen inklusive Speichermöglichkeiten sowie E-Mobilitäts- und Wärmeinfrastruktur anbieten können.

Das Interview führte Sarah Hommel de Mendonça.

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